Text: Olaf Adam, Fotos: Burmester Audiosysteme, Jens Ahner
Dieser Artikel ist ursprünglich erschienen in 0dB - Das Magazin der Leidenschaft N°2
Als Firmengründer Dieter Burmester im Jahr 2015 verstarb, machten sich viele Sorgen darum, wie es wohl mit einem der bekanntesten Aushängeschilder für deutsches HiFi weitergehen würde. Doch das Team um die Witwe Marianne Burmester behielt in dieser schweren Zeit die Ruhe und sah sich ausführlich nach einem Nachfolger um, der die Geschicke des Traditionsunternehmens in die Hand nehmen sollte. Klar war, die Firma sollte ganz im Sinne von Dieter Burmester weitergeführt werden, unabhängig von Investoren, Banken und Konzernen.
Als dieser Nachfolger schließlich im Frühjahr 2016 präsentiert wurde, staunte man nicht schlecht. Denn mit Andreas Henke zog ein Branchenneuling in die Berliner Firmenzentrale ein, der bisher das Marketing bei Porsche verantwortet hatte. Ein Automanager, der von der vorgezeichneten Karriereleiter abspringt, um sich in das Abenteuer HiFi zu stürzen - das sorgte für Aufsehen in beiden Lagern.
Dabei hat den Neuberliner ebendiese Veränderung gereizt, raus aus den Strukturen eines Konzerns, hinein ins echte Unternehmertum. Henke ist sich der großen Verantwortung, die dieser Schritt mit sich bringt, jederzeit bewusst und zügelt deshalb auch seinen Tatendrang. "Natürlich bin ich mit tausend frischen Ideen nach Berlin gekommen. Doch ich habe großen Respekt vor dem, was Dieter Burmester in 38 Jahren seines Lebens hier geschaffen hat. Meine Aufgabe ist es deshalb, das Unternehmen als Teil der Nachfolgegeneration so zu führen, dass ich es irgendwann reicher an Erfahrung, Emotionen und Glaubwürdigkeit an die wiederum nächste Generation übergeben kann."
Das Verständnis dafür, was der Firmengründer mit seinem Unternehmen erreichen wollte und warum es über vier Dekaden hinweg so erfolgreich war, steht für den Nachfolger im Mittelpunkt, wenn es um die Zukunft von Burmester geht. "Man muss sich zunächst fragen, was hat über die Zeit Bestand? Das gilt sicher für unser Design und die verwendeten Materialien; hier wäre es fatal, kurzlebigen Trends zu folgen. Das gilt aber auch für unsere Technologien. Der streng symmetrisch aufgebaute Signalweg, den Dieter Burmester damals mit großer Weitsicht entwickelt hat, ist eben auch heute noch sinnvoll, wenn man das bestmögliche Hörerlebnis anstrebt."
Doch Technologie ist letztlich nur ein Mittel zum Zweck und dient dem eigentlichen Ziel. "Am Ende geht es nicht darum, Messwerte zu erfüllen. Sondern darum, beim Zuhörer eine Wirkung zu erzeugen. Das akustische Ergebnis muss über die Vollständigkeit der musikalischen Informationen den Zuhörer berühren und ans Herz gehen. Ein guter Lautsprecher an einer guten Anlage transportiert die Feinheiten, den Schmelz und den Charakter von Musik so gut, dass man sich die Instrumente, das Orchester und die Aufnahmesituation bildlich vorstellen kann."
Mit einem Unternehmen wie Burmester hat Andreas Henke auch eine gehörige Portion Verantwortung gegenüber den Kunden und Fans der Marke übernommen. Schließlich sind sie es gewohnt, dass sie ihre Anlage auch nach Jahren noch mit neuen Produkten ergänzen oder erweitern können, die optisch und technisch zu den vorhandenen Geräten passen. In dieser Tatsache sieht der Manager eines der wesentlichen Markenversprechen von Burmester. "In einer Welt, die sich jeden Tag ein Stück schneller dreht, wollen wir den Menschen ein Fels in der Brandung sein. Ein Orientierungspunkt, an dem man sich festhalten kann. Wir schaffen mit unseren Produkten einen Wert, der bleibt, der nie peinlich sein wird, und der auch nach 15 Jahren oder mehr noch richtig Spaß macht."
Technische Zuverlässigkeit und Langlebigkeit, davon ist der Manager überzeugt, sind im von Burmester bedienten Marktsegment eine Selbstverständlichkeit, welche die Kunden voraussetzen und erwarten. Darüber hinaus sieht Henke die eigentliche Qualität seiner Produkte aber woanders: "Eine Burmester-Anlage ermöglicht ein ganz besonderes Erlebnis, dem man sich über Jahre und Jahrzehnte hinweg immer wieder hingeben kann. Von dem man immer wieder Futter für die Seele bekommt, bei dem man sich fallen lassen kann. Wenn man eine Burmester-Anlage einschaltet, schaltet man damit für einen Moment die Welt um sich herum aus."
Wer anfänglich vielleicht befürchtet hatte, dass der neue Manager das Unternehmen völlig umkrempelt, hat sich offensichtlich getäuscht. Im Gegenteil, die ersten Burmester-Premieren unter Henkes Ägide tragen den Kern der Marke nicht nur im Herzen, sie heben ihn auf ein ganz neues Niveau. Mit den gewaltigen neuen Lautsprechern BC350 und den mächtigen Mono-Endstufen 159 haben die Berliner gerade zwei neue Highend-Produkte vorgestellt, die es in dieser Dimension selbst bei Burmester bisher noch nicht gab. "Fans und Kunden, die Burmester seit Jahrzehnten für unsere HiFi-Produkte geschätzt und verehrt haben, werden wir sicher auch in Zukunft nicht enttäuschen. Wir bauen diesen Bereich vielmehr weiter aus und stärken ihn, denn dort liegen die Wurzeln und der Kern unserer Marke, und das wird auch so bleiben."
"Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch über Dinge nachdenken, die auf den ersten Blick provokant erscheinen mögen. Auch Dieter Burmesters Schritt in das Automotive-Geschäft wurde damals ja sehr kontrovers diskutiert. Wir haben also durchaus auch Ideen, die sich mit neuen Geschäftsfeldern beschäftigen, aber dafür ist es jetzt vielleicht noch nicht an der Zeit." Als Geschäftsführer von Burmester muss Andreas Henke natürlich betriebswirtschaftlich denken, doch es geht ihm um mehr. "Das Unternehmen soll und muss sich weiterentwickeln, aber dafür braucht man auch das Gespür und das Bauchgefühl dafür, was für die Marke richtig und zumutbar ist. Zum Glück muss ich solche Entscheidungen nicht allein treffen, denn ich habe einen Stamm an Mitarbeitern, die teilweise schon sehr lange hier arbeiten. Und in Gesprächen mit ihnen, mit den Händlern und mit den Kunden entwickle ich jeden Tag ein tieferes Verständnis für die Marke."
Die Aufgabe, das Lebenswerk eines Dieter Burmester weiterzuführen, ist sicherlich keine einfache. Doch Andreas Henke weiß auch, dass Stillstand langfristig Rückschritt bedeutet. Deshalb hat er sich vorgenommen, das Unternehmen und die Marke nachhaltig, aber durchaus auch nachdrücklich in die Zukunft zu führen. Evolution statt Revolution ist das Motto. Oder, wie er selbst das ausdrückt: "Tradition zu pflegen bedeutet nicht, Asche zu bewahren. Es bedeutet, die Fackel weiterzutragen, bis man sie an den nächsten Läufer übergibt."