Nach langer Entwicklungs- und Beta-Phase stellt Linn nun der bekannten Kinsky-App das neue Kazoo zur Seite, zunächst auf dem iPad, Mac und Windows-PC und später auch auf iPhone und Android-Geräten. Kazoo verspricht schickeres Design, mehr Bequemlichkeit bei der Musikauswahl und soll wohl langfristig Kinsky komplett ersetzen. Kann die App diese Ansprüche erfüllen? Als Pionier der digitalen Musikübertragung setzt Linn bereits seit langem auf die bequeme Steuerung der vernetzten Musiksystem über eine App. Die meisten Nutzer eines Linn DS- oder DSM-Systems werden deshalb mit der App Kinsky gut vertraut sein. Zugegeben, die grafische Gestaltung der Oberfläche von Kinsky wirkt in der Tat mittlerweile etwas angestaubt, und auch die Funktionen sind nicht mehr auf dem allerneuesten Stand. Ein Update war hier also längst überfällig, doch musste es gleich eine komplett neue App sein? Und wie gut gelingt der Umstieg von Kinsky auf Kazoo? Wir haben uns das einmal im Selbstversuch näher angeschaut.
Die neue App sieht wirklich verdammt gut aus! Wie man es bei Linn nicht anders erwartet, ist das Design sehr clean und alles andere als überfrachtet. Eine erste Orientierung fällt deshalb sehr leicht, und besonders auf einem Retina-iPad sticht eine der wichtigsten Änderungen sofort ins Auge: die durchgängige Darstellung aller Rubriken mit relativ gut aufgelösten Coverbildern. Sogar an eine spezielle Ansicht für Klassik-Titel, sortiert nach Komponist, wurde gedacht. Womit wir allerdings gleich bei der ersten Einschränkung wären, denn so richtig elegant funktioniert das nur, wenn die Musiksammlung vom passenden Kazoo Server verwaltet wird. Die neue Standard-Coveransicht macht besonders auf einem iPad mit Retina-Display richtig Spaß Mit anderen Musikservern auf UPnP-Basis arbeiten das Linn System und die App natürlich nach wie vor weiter zusammen, doch hier muss man sich zunächst durch eine zwar übersichtlich aber eben doch etwas nüchtern gestaltete Ordnerstruktur klicken, bevor man Cover zu sehen bekommt. Ob und inwiefern der Einsatz von Kazoo Server insgesamt sinnvoll ist, dazu später noch mehr.
Eine weitere neue Komfortfunktion der Kazoo-App, die wiederum nur im Zusammenspiel mit dem Kazoo Server zur Verfügung steht, ist eine schnelle und einfache Suche. Bereits während man den Begriff ins Suchfeld tippt, werden die ersten Ergebnisse angezeigt, und zwar selbst in einem nur mäßig schnellen Netzwerk zügig und zuverlässig. Wie schön es doch wäre, wenn das auch mit anderen Servern oder am besten gleich über alle im Netzwerk gefundene Quellen funktionieren würde ... Im Zusammenspiel mit dem Kazoo Server funktioniert die Suche schnell und bequem
Der zweite Bereich, der im Vergleich zu Kinsky große Verbesserungen erfahren hat, ist das Multiroom-Management. Mit wenigen Klicks bzw. 'Taps' ist es nun möglich, verschiedene Hörzonen anzusteuern, zu gruppieren und zu verwalten. Gruppierte Zonen geben synchron die gleiche Musik wieder und können zentral in der Lautstärke geregelt werden. Stichwort Lautstärkeregelung: Diese ist in der Tat genial gelungen. Über das Lautstärke-Symbol in der rechten oberen Ecke des Bildschirms ruft man ein extra Fenster auf, in dem man sowohl die Lautstärke der gerade gewählten Gruppe insgesamt, als auch die Lautstärke der einzelnen Zonen der Gruppe individuell regeln kann. So gelingt in wenigen Augenblicken, was in der Kinsky-App einige Fingerakrobatik und das Wechseln zwischen verschiedenen Ansichten nötig gemacht hat. Quasi per Fingerzeig kann man in der Kazoo App Hörzonen zu Gruppen zusammen fassen
Damit ist die Liste der Neuerungen dann allerdings bereits vollständig aufgezählt und gewürdigt. Vermisst wird etwa nach wie vor die Anzeige von erweiterten Album-Informationen (erweitert im Sinne von über Titel und Künstler hinausgehend), von einer Möglichkeit ebendiese Informationen zu bearbeiten einmal ganz zu schweigen. Im Gegenteil, im Vergleich zu Kinsky wurden sogar einige Funktionen gestrichen. So kann man zwar Tracks zur aktuellen Playlist hinzufügen, diese aber anschließend nicht mehr umsortieren. Hinzu kommt, dass die Oberfläche der App wirklich von Grund auf neu gestaltet wurde. Ist man den Umgang mit Kinsky gewohnt, wird man einige Tage Umstellungsfrust fahren bevor man sich in Kazoo genauso zu Hause fühlt. Einmal zur Playlist hinzugefügt, lässt sich die Reihenfolge der Tracks leider nicht mehr ändern
Außerdem muss man wie erläutert eigentlich auf den Kazoo Server umsteigen, um die Kazoo App überhaupt in vollem Umfang nutzen zu können. Ein solcher Umstieg wird immer mit einem gewissen Aufwand verbunden sein, doch der eigentliche Nachteil ist ein anderer: Linn bietet Kazoo Server derzeit nur für Windows und Mac OSX an, eine 'embedded'-Variante, die auf einem Strom sparenden NAS laufen kann, existiert nicht. Also muss ein zumindest rudimentärer Rechner die ganze Zeit laufen um die Linn-Software in vollem Umfang nutzen zu können. Liegt die eigene Musiksammlung sowieso auf dem Rechner, ist das natürlich kein Problem, ansonsten gibt es jedoch mittlerweile längst elegantere Lösungen.
Unser Fazit fällt tatsächlich komplett zweigeteilt aus: Wenn Sie bereits ein Linn DS oder DSM-System besitzen, die Steuerung über die Kinsky-App gewohnt sind und dabei auch nichts vermissen, empfiehlt sich der Umstieg auf Kazoo derzeit nicht. Das mag sich schnell ändern, denn sicherlich wird Linn die App zügig weiter entwickeln und fehlende Funktionen hinzufügen. Doch bis dahin lohnt sich die Umstellung nicht, zumal Nutzer eines iPhones oder Android-Geräte sowieso erst einmal diese Wahl gar nicht haben. Steigen Sie gerade neu in die Welt digitaler Linn-Systeme ein, sieht die Sache anders aus. Kazoo ist grundsätzlich eine gelungene, stabile App und sicherlich die Zukunft, also sollten Sie unserer Meinung nach von Anfang an Ihr System damit steuern. Und wenn es Ihnen nichts ausmacht, dass zum Musikhören ein Rechner laufen muss (schließlich gibt es mittlerweile auch vollwertige Mini-PCs die kaum mehr Strom als ein NAS verbrauchen) empfiehlt sich auch absolut der Einsatz des Kazoo Servers, da die Kombination aus Linn-System, Kazoo Server und Kazoo App auf dem iPad sehr einfach und bequem funktioniert und vor allem praktisch keinen Einrichtungsaufwand erfordert.